Orientierung
Haegue Yangs ordnende Eingriffe im Landesmuseum Darmstadt


Silke Hohmann

Kunst, für die man einen Lageplan benötigt, schließt immer das Erfolgserlebnis des Entdeckens mit ein. Bei Haegue Yang im Landesmuseum Darmstadt sind es zwei Leuchten, die sich in einer Ecke der großen Vorhalle wechselseitig anstrahlen wie Planeten: Relational Irrelevance ist schüchtern platziert und im Sonnenlicht, das durch die Fenster dringt, nicht so optimal inszeniert wie es beispielsweise in einem dunklen leeren Raum der Fall gewesen wäre. Aber die Bescheidenheit der Geste, mit der Haegue Yang ihre eigene Arbeit präsentiert, ist Teil des Konzepts, und so gibt es an der Kasse einen Lageplan für die einzelnen Werke.

Weltweiter Gartenstuhl
Dabei scheint die Kunst der 1971 in Seoul geborenen Städelabsolventin das Thema Orientierung auf hintergründige Weise selbst zum Gegenstand zu haben. Einerseits sucht sie ihre Umwelt mit der Kamera nach formalen Besonder- oder Gemeinsamkeiten ab, in Amsterdam, Seoul oder Berlin etwa.

Es entstehen Fotogruppen zu je 36 Bildern, die im weitesten Sinne mit Sitzgelegenheiten zu tun haben und umgestürzte Plastikhocker in Asien, ein Sperrmüllsofa irgendwo oder einen weltweit anzutreffenden Monoblock-Gartenstuhl zeigen. Matten, Eimer - universelle Fundstücke, die Haegue Yang in ihrer Umgebung arrangiert und fotografiert, bis sie den Charakter eines persönlichen Wegenetzes haben und gleichzeitig den einer vergleichenden Phänomenologie der Straße. Hier ist Haegue Yang eine Forscherin des Formalen. Sie gruppiert auch die Kassensituation im Museum um und lässt die Neonröhren an der Decke diagonal anordnen: Verschiebungen, die sich erst anhand des Lageplans offenbaren, es sei denn, man ist ständiger Gast der Einrichtung.

Andererseits sind ihre ordnenden Eingriffe unterlegt von einer stets zweifelnden, das eigene Tun befragenden Grundhaltung. Zentrales Stück der Ausstellung ist eine Ansammlung aus verpackten Arbeiten der Künstlerin, die seit 1999 entstanden sind - eine Skulptur, die wiederum aus Kunst besteht, die sich nicht zeigt - selbstreferenziell und hermetisch, aber auch auf die Nebenwirkungen des Kunstbetriebs weisend. In einem langen Text vom Tonband heißt es: "Dieser versteckte Zustand ist der in einem Lager, genau das ist die Sache, um die es heute geht."

Welchen Platz hat Kunst? So könnte man ihre Fragestellung vereinfacht zusammenfassen. Haegue Yang interessiert sich für unspektakuläre Räume, wie sie bereits in ihrer Installation auf der Manifesta 4 in Frankfurt gezeigt hat: dort beleuchtete sie im Frankensteiner Hof einen verschmutzten kleinen Abstellraum, den sie ansonsten so beließ, wie er vorgefunden worden war.

Die Preisträgerin des Maria-Sybilla-Merian-Preises 2001, anlässlich dessen nun die Ausstellung in Darmstadt stattfindet, ist gleichzeitig Beobachterin der eigenen Befindlichkeiten: Zwei Filme, die in netter Raumsituation zwischen steinernen Landesmuseums-Säulen ausgestrahlt werden, zeigen wiederum Bilder der Straße auf den verschiedenen Stationen von Haegue Yang.

Im falschen Zug
Unterlegt sind diese Bilder mit gesprochenen Notizen und erlebten Momenten, und oft handeln sie von der Unmöglichkeit, auf andere zuzugehen. Auf die Mutter und Tochter mit der schweren Tasche, die im Begriff sind, in den falschen Zug einzusteigen etwa, oder auf den Polizisten, der auf der Straße den Bettler mit den schönen Augen schlägt.

Hier erweist sich Haegue Yangs Arbeitsprozess auch als ein Ringen um eine höhere innere Ordnung, die mit Moral und Haltung zu tun hat. Das Zarte, Brüchige, Zaghafte ihrer Arbeiten ist Teil dessen. Und in ihrem Offenlegen der Unsicherheiten liegt etwas Unbestechliches.