Black Cabinet – Version Bremen
2007

Courtesy of Galerie Barbara Wien, Berlin



Melancholy is a Longing for the Absoluteness 
2007

4 light sculptures, IV stands, light bulbs, cable, aluminum Venetian blinds


Gymnastics of the Foldables 
2006

15 black and white photographs, framed

Each 35 x 30 cm


Cove
2004

Spray paint, paper

359 x 150 cm


Illiterate Leftovers 
2004

35 mm slide projection loop of 80 sheets of A4 facsimile transmissions


Dehors 
2006

Slide projection loop, 2 sets of 81 color slides each, 2 slide projectors, dissolve control


Installation view of Kunstpreis Böttcherstrasse 2007, Kunsthalle, Bremen, Germany, 2007
Photo: Karen Blindow


Haegue Yang

Wenn sich ein neuer Ort dem Gefühl erschließt, wird er oft ganz und gar zum Bild seiner selbst. Der Gang durch eine fremde Stadt fühlt sich dann an wie ein Besuch im Kino. Aber da du selbst Teil des Film bist, musst du auch handeln. Nur, wie handelt man in Momenten, in denen einem die Welt fremd vorkommt? Wie lebt man ein Leben, dass zunehmend mehr oder zeitweise nur noch aus solchen Momenten besteht? In ihren Installationen produziert Hague Yang diese Momente. Sie inszeniert Situationen, in denen alles fremd wirkt, Handeln aber dennoch möglich zu sein scheint und sich trotz des Entfremdungsgefühls eine Ruhe einstellt, mit der sich eine Ahnung von Glück verbindet. Ihre Arbeiten sind bildhafte Szenarien für ein möglicherweise glückliches Leben unter Bedingungen anhaltender Entfremdung.

Für diese Szenarien verwendet Yang oft einfache Dinge, die man braucht, um Räume bewohnbar zu machen: Jalousien, Lampen, Ventilatoren, Luftbefeuchter und Hitzestrahler. In der Installation Series of Vulnerable Arrangements (2006) arrangiert Yang diese Objekte so, dass ihre verstreute Aufstellung das Gefühl einer improvisierten Lebenssituation vermittelt, in der jemand nur kurz das Nötigste gekauft hat, um Licht und Temperatur in einer gerade bezogenen Wohnung zu regulieren. Die klare Gliederung des Raums durch die Installation der Jalousien als Raumteiler unterstreicht zugleich jedoch auch die Bestimmtheit der Absicht, den Ort, wenn auch nur temporär, zu einer Bleibe zu machen. Wo dieser Ort ist, bleibt offen, denn wo auf der Welt wäre es gleichzeitig kalt und heiß, dunkel und hell, so dass man zugleich einen Hitzestrahler und Ventilator bräuchte, die Blenden schließen und das Licht anschalten müsste? An einem Ort, der sich anders anfühlt als alle anderen und der vielleicht in Gedanken ebenso real existiert wie in der Realität.

Charakteristisch für die Objekte ist auch, dass man sie nirgendwohin mitbringen muss, weil es sie überall gibt. Yang zeigt so, dass ein Gegenstand, den ich hier wie dort kaufen kann, mir hier wie dort das Gefühl gibt, zuhause zu sein, weil er mich immer an Orte erinnert, an denen ich schon gelebt habe. Erinnerungen sind das leichteste Reisegepäck. Ohne sie reist niemand. Einmal Erlerntes zählt zu diesen Erinnerungen. Wenn Yang in Blind Room (2006) Origami-Faltobjekte auf einem Tisch präsentiert, dann ist Origami so eine erlernte Tätigkeit, die sie überall, wo sie ist, immer wieder ausüben kann. Das Falten erlaubt das Wiederfinden des eigenen Lebens an fremden Orten durch das Ausführen vertrauter Gesten. Gedanken sind ebenso treue Reisebegleiter. Yang hält sie in Video-Essays fest, die sie in die räumliche Inszenierung einbezieht und in ihren Installationen als Projektion oder auf Monitoren zeigt. Assoziative Bildmontagen sind in diesen Video-Essays unterlegt mit als Voice-Over gesprochenen Texten. In Unfolding Spaces (2004) zum Beispiel sind dies kurze Erzählungen von Momenten, die sich auf Reisen auf der Straße, in Flughäfen oder Hotels ereignen. In Squandering Negative Spaces (2006) sind es aphoristische Reflektionen über das Glück der Ortlosigkeit, Liebe und Einsamkeit.

Charakteristisch für diese Erzählungen und Reflektionen ist, dass Yang bestimmte Erfahrungen der Entfremdung, die für gewöhnlich nur negativ konnotiert sind, so beschreibt, dass es möglich wird, dieses Momente anders zu begreifen. Die temporäre Aufhebung einer festen Beziehung zum eigenen Aufenthaltsort ist in ihren Gedanken immer auch verbunden mit einem starken Gefühl von Potenzialität, einer Offenheit für alles, was passieren könnte, die sich jedoch auch mit einer gesteigerten Erfahrung der Verletzlichkeit verbindet. Ein individuelles Leben und Zusammenleben mit anderen in einer Situation offener Potenzialität wird damit als Zustand vorstellbar, der zweifellos prekär ist, aber dennoch eine eigene Art von Glück verspricht. Das schmerzvolle Gefühl anhaltenden Entfremdung teilen heute viele, die wegen ihrer Arbeit ständig von Ort zu Ort ziehen. Yang reflektiert diesen Zustand, schildert in jedoch nicht als ausweglos, sondern öffnet vielmehr den Blick für Formen des improvisierten Handelns und offenen Denkens, die sich aus der Dislozierung des Lebens ergeben. Der Ausweg aus der vermeintlichen Ausweglosigkeit der prekären Existenz zeigt sich in Yangs Arbeit da, wo ihre Installationen die Atmosphäre konkreter Orte spürbar machen, dieses Konkrete zugleich aber wieder auf das Abstrakte von Ideen hin öffnen, die über die Enge des Augenblicks hinaus auf die Möglichkeit eines guten Lebens im Übergang von Ort zu Ort verweisen.

Jan Verwoert


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Exhibition history

Kunstpreis Böttcherstrasse 2007, Kunsthalle, Bremen, Germany, 2007



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